Irgendwie wirkt er immer ein klein wenig verpeilt. Aber mit 12 Jahren darf man die Dinge durchaus schon mal etwas langsamer angehen. Zumal wenn die Gesundheit nicht mehr so richtig mitspielt.
Labrador Josh hat schwere Arthrose. Trotz Schmerzmitteln hinkt er stark, und seine Kondition ist auch nicht die beste. Auf Spaziergängen hängt er oft hinterher und gerät schnell ins Schnaufen. Ans Toben mit anderen Hunden ist nicht mehr zu denken.
„Hat das noch Sinn?“, fragt man sich irgendwann als verantwortungsbewusster Hundefreund. Aber Josh sieht man doch stets an, dass er ungeachtet seiner Probleme noch viel ungebrochene Lebensfreude hat. Und zwar besonders auf dem Hundehof. Hier hat der bisherige Stadthund Platz, hündische Gesellschaft und muss sich kein Treppenhaus hochschleppen. Obwohl ihm die Spaziergänge schwerfallen, möchte er doch nie einen auslassen. Seine größte Freude aber ist der Hundeteich.
Sobald sich jemand in Richtung Garten bewegt, steht er freudig bereit. Nichts liebt er mehr als in das kühle Wasser zu steigen, ein paar Schluck zu schlabbern, die Entlastung der morschen Knochen zu genießen, wieder herauszusteigen, sich zu schütteln, am Ufer zu wälzen, ein wenig zu chillen und nach spätestens zwei Minuten das Ganze wieder von vorne zu beginnen. Ein echter Labrador halt.
Wie vielen anderen Hundebesitzern fiel auch Josh’s Herrchen auf, dass sein Freund nach dem Aufenthalt bei uns sichtlich besser drauf war. Kein Wunder: Auch Hunde mögen Ferien mit viel Gesellschaft, Abenteuern und ein paar kleinen und großen Freiheiten. Und so spendierte er Josh immer öfter mal ein paar Tage bei uns, wenn sich ein Vorwand dafür finden ließ. Nachdem der alte Knabe dabei jedes mal sichtlich aufblühte und gleichzeitig das Stadtleben immer schwieriger für ihn wurde, kamen wir überein: Josh zieht hier ein. Er gehört ja inzwischen sowieso längst dazu. Und sein Herrchen kann ihn auch hier jederzeit abholen für gemeinsame schöne Stunden oder Tage. Tut ihm wahrscheinlich auch gut, mal öfter rauszukommen aus der lauten grauen Stadt…
UPDATE, Juni 2018: Alles hat einmal ein Ende… Neun Monate konnte Josh sein Rentnerdasein bei uns genießen und hat sich in dieser Zeit viele Freunde gemacht. Mit seinem ebenso zurückhaltenden wie freundlichen Wesen fiel der immer etwas distinguiert wirkende ältere Herr oft unseren Besuchern auf und wurde fast eine Art Maskottchen des Hunde-Hofes. Sein diskreter Charme, mit dem er einem stets mit einigen Metern Abstand folgte, verlieh ihm die Aura eines englischen Butlers.
Sein letzter Abend war ein Fest. Bis Mitternacht saßen wir bei hochsommerlichen Temperaturen an Joshs geliebtem Gartenteich, und wie immer pendelte er in ruhigem und stetem Rhythmus zwischen der Badestelle und seinem Lieblingsplatz am Ufer. Man spürte, wie glücklich er war, Mensch und Natur gleichermaßen nahe sein zu dürfen. Schließlich folgte er uns humpelnd mit 20 m Abstand zurück in den Hof und lies sich wie immer ein wenig bitten. Am nächsten Morgen, es wurde schon wieder recht warm, fanden wir ihn schwach atmend im Schatten eines Gebüsches. Selbst für kleine Bewegungen hatte er keine Kraft mehr, war aber frei von Schmerzen oder Angst und schlief nur wenige Minuten später friedlich ein. Er kam als Gast und ging als Freund.
Bleibt die Frage: Gibt es eigentlich einen Hundehimmel? – Nein, natürlich nicht! Hunde dürfen mit in den Menschenhimmel. Anders kann es gar nicht sein, denn sonst würde dort etwas ganz Entscheidendes fehlen.